8. Juli 2022Hoffnung und Zuversicht
Das Recht, seine Meinung frei zu äußern und das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, sind zwei der vielen freiheitlichen Grundrechte in der Bundesrepublik Deutschland. Die dahinterliegenden Artikel des Grundgesetzes, Artikel 5 und Artikel 8, stellen sicher, dass Meinungen, solange sie sich in einem rechtlichen Rahmen bewegen, frei vertreten und kundgetan werden dürfen, auch wenn es Unterstützungsbekundungen für den russischen Angriffskrieg oder die Leugnung des Klimawandels sind. Die besondere Stellung von Freiheitsrechten, den sogenannten Grundrechten im Grundgesetz (Artikel 1 bis 19) sind in Deutschland als Konsequenz des NS-Regimes von 1933–45 entstanden. Verfassungstexte in anderen Ländern blicken oft anders und in anderer Tradition auf die gleiche Thematik. Die Form der gewährten Freiheiten findet dort oft in sanktionierender Weise statt, in Form von Verboten von bestimmtem politische Positionen. Unsere weitreichende Gewährung von Freiheiten führt mitunter zu Unverständnis, warum radikale Meinungen, wenn auch nur in begrenzter Form, frei geäußert werden dürfen.
Um diese Grundelemente der deutschen Demokratie auch innerhalb des historischen Kontextes zu verstehen, fand für die Schülerinnen und Schüler der Sprachlernklasse I (Ukraine) am 8. Juli ein Projekttag statt. Christina Heiduck von dem Verein Deutsche Gesellschaft e. V. führte einen Intensivworkshop zum Thema Demokratie im historischen Kontext Deutschlands durch. Dabei stand das Thema der Entwicklung der deutschen Demokratie ab 1945 mit dem Schwerpunkt des Verhältnisses zwischen West und Ost auf der Tagesordnung.
Um zwischen diesem theoretischen Teil eine Brücke zur gegenwärtigen politischen Themen zu schlagen, standen für die Schülerinnen und Schüler am Nachmittag zwei weitere Termine an. Claudia Schüßler, Landtagsabgeordnete für den Wahlkreis Barsinghausen, hatte zu einer Führung im Leineschloss eingeladen. Nach der Besichtigung des immer noch brandneu wirkenden Plenarsaals stellte sich Claudia Schüßler den Fragen der ukrainischen Schülerinnen und Schüler. Dabei sollte nichts tabu sein, und so war die Frage nach einer gelungenen Integration in die Gesellschaft genau so präsent wie die der Aufnahme der Ukraine in die Europäische Union. Auch Fragen danach, wie es nach einem Kriegsende in der Ukraine und auch in Deutschland weitergehen und was man aus der Geschichte des deutschen Wiederaufbaus lernen könnte, standen im Raum.
Im Neuen Rathaus in Hannover wurde dann noch einmal die Verbindung zwischen Politik und Historie hergestellt. Söhnke Post übernahm noch einmal seinen ehemaligen Studentenjob und führte die Gruppe, unterstützt von der Ratsvorsitzenden Uta Engelhardt, durch das Rathaus und durch die dort ausgestellten Stadtmodelle. Auch hier durften die Schülerinnen und Schüler alles fragen, was ihnen auf dem Herzen lag. Dabei ging es um historisch-politische Entwicklungen innerhalb der Region Hannover und ihre Auswirkungen auf das Stadtbild. Der lange und intensive Tag, der ganz im Zeichen dessen stehen sollte, warum die deutsche Demokratie gerade durch ihre Historie zu dem geworden ist, was sie aktuell ist, endete schließlich mit einem Besuch der Kuppel des Neuen Rathauses. Der Blick auf eine 1945 weitgehend zerstörte Stadt, die heute in neuem Glanz erstrahlt, gab den Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine Hoffnung und Zuversicht.
Autor: Lennart Bar (Lehrer)