Eine Fortsetzung ist schon geplant

27.10.2020 Potsdam

Eine Fortsetzung ist schon geplant

Damit Min­dest­ab­stän­de sicher ein­ge­hal­ten wer­den kön­nen, wur­de die Begeg­nungs­ver­an­stal­tung am 27. Okto­ber 2020 in der Evan­ge­li­schen Kir­chen­ge­mein­de Born­stedt vom Gemein­de­haus in die alt­ehr­wür­di­ge Born­sted­ter Kir­che ver­legt. Trotz­dem war die Stim­mung fast fami­li­är. Zu Gast beim Senio­ren­nach­mit­tag der Gemein­de waren Hei­ke Roth und Fozi­ya Abdal­lah, eine jun­ge Frau aus Syri­en, die den meis­ten der Anwe­sen­den zumin­dest vom Sehen bekannt war und die man lie­be­voll duz­te. Ruhig und ohne etwas aus­zu­las­sen erzähl­te Fozi­ya ihre Lebens­ge­schich­te: „Ich kann über alles spre­chen“, das hat­te sie ein­gangs gesagt. So erin­ner­te sie sich an ihre schö­ne Kind­heit mit den vie­len Geschwis­tern in einem Dorf an der Gren­ze zur Tür­kei, im Kur­den­ge­biet. Die hei­le Welt der klei­nen Fozi­ya bekam aller­dings bald Ris­se: So durf­te nur in der Fami­lie Kur­disch gespro­chen wer­den und auch auf­grund ihres Glau­bens erfuhr die Fami­lie Dis­kri­mi­nie­rung, ihre Fami­lie gehör­te zur Reli­gi­ons­ge­mein­schaft der Jesi­den.

Die Eltern trenn­ten sich, der Krieg in Syri­en begann, auf ihre Hei­mat fie­len Bom­ben. Für eine Aus­bil­dung oder ein Stu­di­um war nach dem Abitur kein Geld da, so ger­ne hät­te sie einen Beruf erlernt, in dem sie mit Kin­dern arbei­ten kann. Ihre Fami­lie habe für sie kei­nen ande­ren Weg gese­hen, als zu hei­ra­ten, so Fozi­ya. Aller­dings leb­te ihr Bräu­ti­gam im fer­nen Däne­mark, Fozi­ya muss­te Land und Fami­lie ver­las­sen. „Kann­tet Ihr Euch denn?“, so die Fra­ge einer Teil­neh­me­rin. „Nein, ich habe ihn vor­her nie gese­hen.“ „Wie alt war Dein Mann?“, so die nächs­te Fra­ge. „42!“ Fozi­ya muss­te bei­na­he lachen, so absurd klang das jetzt auch für sie, „mehr als dop­pelt so alt wie ich.“ Sie habe das Zusam­men­le­ben nicht lan­ge aus­ge­hal­ten und sich nach zwei Wochen an die däni­sche Poli­zei gewandt, die sie in Sicher­heit brach­te. Die Teil­neh­men­den der Gesprächs­run­de muss­ten an die­ser Stel­le erst ein­mal tief durch­at­men.

Eine Schwes­ter leb­te in der Schweiz, dort­hin woll­te sie nun, bei ihr zu sein, das wäre nach den schreck­li­chen Erleb­nis­sen in Däne­mark schön gewe­sen. In der Schweiz wur­de Fou­zia aber in einem soge­nann­ten Bun­des­asyl­zen­trum unter­ge­bracht, im „Zen­trum“, wie sie es nennt. Das lag in einem ganz ande­ren Kan­ton als dem, in dem ihre Schwes­ter wohn­te, die Rei­sen zu ihr waren teu­er. Im „Zen­trum“ gab es kei­ne Ver­dienst­mög­lich­kei­ten, auch ein Sprach­kurs wur­de Fozi­ya nicht gewährt. Die Schwei­zer Ämter woll­ten sie viel­mehr nach Däne­mark aus­wei­sen. Zwei­ein­halb Jah­re hielt sie im „Zen­trum“ aus, dann kam die Lie­be ins Spiel, und ihre gro­ße Lie­be, die sie seit ihrer Kind­heit kann­te, leb­te aus­ge­rech­net in Deutsch­land, in Pots­dam. „Ich weiß, ich hät­te das nicht tun dür­fen, aber ich habe mich ein­fach in den Zug gesetzt und bin nach Deutsch­land gefah­ren“, erzähl­te sie fast schuld­be­wusst. Als die deut­schen Behör­den von ihrem Auf­ent­halt Wind beka­men, setz­ten sie alles dar­an, sie wie­der zurück in die Schweiz zu schi­cken. Fozi­ya und ihr Freund beka­men noch recht­zei­tig einen Tipp zum soge­nann­ten Kir­chen­asyl: „Die Kir­che war mei­ne letz­te Hoff­nung, wirk­lich.“ So fand sie schließ­lich ein paar Mona­te Unter­schlupf in einem frei­en Zim­mer im Gemein­de­haus der Pots­da­mer Kir­chen­ge­mein­de, bis sie ganz legal zu ihrem Freund zie­hen durf­te. Und des­halb war sie vie­len in der Run­de gar kein unbe­kann­tes Gesicht. Nur von ihrem Leben habe man kaum etwas gewusst. „So eine jun­ge Frau. Und so eine Lebens­ge­schich­te, es ist kaum zu glau­ben, dass sie nie auf­ge­ge­ben hat. Und dass sie trotz­dem so fröh­lich ist“, so sprach eine Teil­neh­me­rin aus, was wohl alle in der Run­de dach­ten.

End­lich kommt Fozi­ya auch ihrem Jugend­traum näher, denn weni­ge Tagen nach der Ver­an­stal­tung soll ein Prak­ti­kum in der Kita begin­nen. Eine Aus­bil­dung möch­te sie dort machen. Und erst, wenn sie die­se abge­schlos­sen hat, möch­te sie über eige­ne Kin­der nach­den­ken. Das fan­den die Damen und Her­ren vom Senio­ren­nach­mit­tag sehr ver­nünf­tig. „Kön­nen wir das Tref­fen wie­der­ho­len?“, frag­ten sie zum Schluss. „Wir möch­ten ger­ne wis­sen, wie es Fozi­ya ergan­gen ist. Und viel­leicht kön­nen wir auch mal einen jun­gen Mann ein­la­den, sei­ne Geschich­te zu erzählen?“