Angekommen

Angekommen

Per­fekt vor­be­rei­tet war die Begeg­nungs­ver­an­stal­tung im Mehr­ge­ne­ra­tio­nen­haus Bür­ger­zen­trum Treff­punkt Stadt­müh­le in Lahr (Schwarz­wald) am 22. Juni 2021. Dafür hat­ten die Inte­gra­ti­ons­be­auf­trag­te Char­lot­te Wolff (Stadt Lahr) und der Lei­ter des Hau­ses Edwin Fischer gemein­sam gesorgt. Ein gro­ßer Stuhl­kreis erwar­te­te die Teil­neh­men­den, so dass fast zwan­zig Per­so­nen Platz fan­den. Erst muss­te die not­wen­di­ge Büro­kra­tie erle­digt wer­den, die Coro­na-Rege­lun­gen wur­den erklärt: Abstand, Mas­ken­pflicht. Schnell fühl­ten sich alle wohl in dem gast­li­chen Haus, man kennt sich und die Neu­gier auf die Gesprächs­run­de über­traf schnell das ers­te Unbe­ha­gen. Neu in der Run­de war Tahereh Hoss­ei­ni, 17 Jah­re jung, mit ihrer Fami­lie aus dem Iran nach Deutsch­land geflüch­tet. Sie hat afgha­ni­sche Wur­zeln, im Iran leb­ten sie als Flücht­lin­ge. In der Hoff­nung auf ein bes­se­res Leben brach die Fami­lie nach Deutsch­land auf, über die Bal­kan­rou­te kam sie 2015 nach Deutsch­land. Gera­de hat Tahereh die 10. Klas­se geschafft, nach den Feri­en geht es auf das Gym­na­si­um. Taherehs Ziel: Zahn­ärz­tin wer­den. Was sie hier ver­mis­se? Die Ant­wort kommt schnell: „Nichts — doch, natür­lich, die Großeltern.“

Auch Kufan Kamal Slei­man, ein wei­te­res unbe­kann­tes Gesicht in der Run­de, hat gera­de einen Abschluss in der Tasche, er ist frisch­ge­ba­cke­ner Kauf­mann im Ein­zel­han­del. Er berich­te­te, dass sei­ne Fami­lie als Ange­hö­ri­ge der Min­der­heit der Jesi­den beson­ders gefähr­det war, er als ältes­ter Sohn war der ers­te, der sich in Rich­tung Euro­pa auf­mach­te. Nach Deutsch­land woll­te er unbe­dingt, die Flucht ist für ihn im Rück­blick ein gro­ßes Aben­teu­er. „Wenn du etwas willst, dann schaffst du das.“ In Deutsch­land ist er ange­kom­men. Gefragt, wel­che Ent­täu­schun­gen er hin­neh­men muss­te, ant­wor­tet er: Dass es mit dem Stu­di­um nicht geklappt hat, das hät­te er sich anders vor­ge­stellt. Den­noch: Nach der Ankunft stand er wirt­schaft­lich schnell auf eige­nen Bei­nen, er woll­te mit sei­ner Fami­lie zusam­men sein, die ihm nach­folg­te. „Ich habe immer Voll­zeit gear­bei­tet, des­halb konn­te ich kei­nen Deutsch­kurs besu­chen.“ Das fin­det er immer noch scha­de. Trotz­dem hat ermitt­ler­wei­le die B1-Prü­fung geschafft. Nun will er Tank­stel­len­päch­ter werden.

Gemein­sam mit den Senio­rin­nen und Senio­ren, die teil­wei­se schon lan­ge Kon­takt zu Geflüch­te­ten sowie Migran­tin­nen und Migran­ten in Lahr haben, dis­ku­tier­te die Run­de die Fra­ge nach der Bedeu­tung von Reli­gi­on, da gin­gen die Mei­nun­gen teil­wei­se aus­ein­an­der. Eine Teil­neh­me­rin hat­te beob­ach­tet, dass alle Reli­gio­nen, wenn sie kon­ser­va­tiv aus­ge­legt wer­den, dazu führ­ten, dass die Men­schen sich von­ein­an­der abwen­den wür­den, letzt­lich bräuch­te man die Reli­gi­on gar nicht. Eine ande­re Dame wider­sprach. Es sei ihr doch egal, wie die eige­ne Reli­gi­on pri­vat gelebt wür­de, wich­tig sei, dass man sich im All­tag respek­tie­re und auf­ein­an­der zuge­he. Tahereh berich­te­te, dass auch sie neu­gie­rig auf ande­re Reli­gio­nen sei, in einer Kir­che war sie auch schon, ein schö­nes Erleb­nis sei das gewe­sen. Frau­en und Kin­der müss­ten ihre Rech­te wahr­neh­men kön­nen, da waren sich alle in der Run­de einig. Kufan Kamal Slei­man äußer­te ein paar Zwei­fel: „In mei­ner Fami­lie sind die Frau­en gleich­be­rech­tigt, aber ich ken­ne mei­ne Kul­tur, das dau­ert hun­dert Jah­re, bis alle soweit sind.“ Eine Teil­neh­me­rin reagier­te nach­denk­lich und humor­voll zugleich: „Auch unse­re Groß­müt­ter vom Dorf hat­ten noch ein ganz ande­res Leben, wir haben erkämpft, was wir heu­te haben, wir unter­stüt­zen eure Frau­en, auch wenn es noch ein­mal ein Jahr­hun­dert dau­ert!“ Und wie man denn die Neu­zu­ge­wan­der­ten für die Demo­kra­tie begeis­tern kann, auch das woll­ten die Alt­ein­ge­ses­se­nen wis­sen. Sie sei­en sich sicher, ein fried­li­ches Zusam­men­le­ben kön­ne es nur in einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft geben. Tahereh und Kufan Kamal Slei­man gestal­ten die­ses Zusam­men­le­ben bereits aktiv mit, sie enga­gie­ren sich als ehren­amt­li­che Sprach­mitt­ler und hel­fen bei den ers­ten Schrit­ten in Deutsch­land, „wir wis­sen doch, wie es ist, hier anzukommen.“